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Die Diagnose: Multiples Myelom - Knochenmarkkrebs.

Noch heute sehe ich mich, wie ich nach der Diagnose am Alexanderplatz Tränenüberströmt die Straße überquere, um den Termin bei meinem Physiotherapeuten pflichtgetreu wahrzunehmen. Ich telefoniere dabei mit meiner Mutter. Alles um mich herum scheint unwirklich zu sein. Ich fühle mich wie betäubt, weine auf der Praxisliege. Mein bisheriges Leben läuft gedanklich vor mir ab. Meine Zukunftspläne lösen sich in Luft auf. Ich weiß gar nicht, wann und ob ich meinen Mann an dem Tag angerufen habe. Ich kann mich nur daran erinnern, wie wir abends am Tisch saßen und ich ihm weinend versucht habe, die Diagnose zu erläutern. Er sagte nur: Wenn das so ist, dann ist das so. Ich weinte die ganze Nacht durch. Fühlte mich allein gelassen. Ich „fiel ins Bodenlose“. Das Leben schien zu Ende zu sein. Am nächsten Tag ging ich tatsächlich in diesem Zustand zur Arbeit. Dort brach ich emotional zusammen und wurde wieder nach Hause geschickt.

Nach einigen CT und MRT – Untersuchungen stellte sich heraus, dass sich der Krebs zum Glück noch im Stadium I, dem sogenannten „Schläferstadium“ befand. In dem Fall spricht man von einem Smouldering Myeloma. Eine Therapie in dem Sinne war zu dem Zeitpunkt noch nicht notwendig. Von da an wurden nur alle 3 Monate meine Werte kontrolliert. Das ging vier Jahre gut. Die Diagnose rückte in den Hintergrund, nahm nur selten Raum in meinen Gedanken ein. Anfang 2020 stand jedoch das erste Mal die Notwendigkeit einer Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Stammzelltransplantation im Raum. Ich fühlte mich hilflos. Verzweiflung machte sich breit, Ängste überkamen mich.

Hochdosis-Chemotherapie:

Angst – Furcht – Entsetzen -  Schock – Fassungslosigkeit – Gift – Übelkeit – Erbrechen – körperliche Schwäche – emotionale und körperliche Qualen – Hilflosigkeit – Ausweglosigkeit – Schmerzen – Medikamente – Infusionen – der Tod?

Immerzu geisterte die bevorstehende Chemotherapie und ihre Nebenwirkungen durch meinen Kopf. Ich fragte mich: Will ich mir das antun? Kann ich dem standhalten? Welche Alternativen gibt es? Muss ich diesen Weg wirklich gehen? Welche Nebenwirkungen werde ich haben? Ist mein Leben jetzt vorbei?

In dieser Zeit haben mein Mann und ich oft in unserem Wohnzimmer zu Queen, vor allem nach dem Lied „Bohemian Rhapsody“ getanzt. Ich habe dabei geweint und gelacht. Vor allem die Liedzeile „Goodbye everybody, I've got to go“ hat mich immer wieder zu Trängen gerührt. Denn innerlich hatte auch ich Abschied von diesem Leben genommen. Ich wusste nicht, was mir bevorstand.

Von meiner Onkologin wurde ich an einen Prof. Dr. der Charite Berlin verwiesen, der eine Koryphäe auf dem Gebiet des Multiplen Myeloms sein soll. Bei dem Professor habe ich mich jedoch gefühlt, als wäre ich eine Nummer im System. Meine Ängste und Sorgen hat er nicht ernst genommen. Mein Gefühl, alles ist aus, ich bin der Chemotherapie und diesem Arzt hilflos ausgeliefert, führte nach einem der Termine bei dem Prof. dazu, dass ich in den Armen meines Mannes auf dem Krankenhausparkplatz zusammensank. Ich schrie, weinte, zitterte, meine Beine versagten. Ich rief: Ich will leben! Ich will nicht sterben! Ich war bis in Mark erschüttert. Diesen Moment werde ich nicht mehr vergessen.

Dank meiner lieben Freundin Suzana, zu der mich mein Mann nach dem Vorfall auf dem Krankenhausparkplatz gebracht hat, habe ich diesen Tag überstanden. Suzana hat mich emotional aufgefangen, war da für mich, ohne viele Worte. Ein tiefes Verständnis füreinander verbindet uns. Nach einem weiteren Termin bei dem Professor half mir eine weitere Freundin, meine liebe Freundin Manu. Diesmal auf telefonischem Wege. Manu hatte es durch ihr zuhören geschafft, dass ich an dem Abend einen kleinen Funken an Zuversicht und Hoffnung auf ein weiteres Leben gewann. Sie war einfach da für mich. Auch meine liebe Freundin Ruth, Pastorin und Pädagogin, hat mich mit ihrem festen Glauben und Vertrauen, durch diese dunkle Zeit begleitet.

Was für ein unglaublich wertvolles Geschenk… Freunde zu haben, die mich auch in den schweren Stunden meines Lebens auffangen können. Das nenne ich Verbundenheit und eine tiefe innige Freundschaft.

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Diagnose

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